Montag, 12. Januar 2015

[Rez(ept)ension] "Vollkommen" von Patricia Rabs

Der erste Teil einer (voraussichtlich) Dilogie, welche von der Autorin Patricia Rabs geschrieben und im Carlsen Impress Verlag veröffentlicht wurde. Das Buch ist bislang nur als E-Book für 3,99€ erschienen und umfasst eine Seitenanzahl von 382 Seiten.

Sie haben sich in einer streng regulierten Idealgesellschaft den besten Platz erobert: Die Familie der 17-jährigen Teresa Evans gehört zu den Privilegierten, die in Mitte wohnen dürfen. Ihr Blut wird seit Generationen als so wertvoll eingestuft, dass sie es spenden und dafür besser leben können. Doch mit Teresa kommt die Wende, sie hat die Einstufung zur Blutspende nicht bestanden. Wegen ihr könnten sie jederzeit in die Armutswelt der Randbezirke abgeschoben werden. Dorthin, wo auch Lukas wohnt. Der Junge, mit dem Teresa als Privilegierte niemals zusammen sein dürfte und der jetzt ihr einziges Licht im Dunkeln ist. Doch gerade Lukas besteht als Erster seines Stammbaums die Einstufung und gehört plötzlich zu den Privilegierten…

„An diesem Abend glaubten wir daran, dass sich alles zum Guten wenden würde.“ (Position 16)

 

Ich liebte es schon, bevor ich auch nur eine Zeile des Buches gelesen hatte. In diese Idee kann man sich auch nur verlieben. Etwas anderes ist für Dystopie-Liebhaber wie mich physikalisch gar nicht möglich. Also waren meine Erwartungen wohl zu Anfang überirdisch hoch und ich hoffte, dass mir meine Erwartungen das Buch nicht kaputt machen würden.


Das Cover zeigt ein Mädchengesicht über das gesamte Cover, welches das Gesicht in ihre Hände gestützt hat. Das Cover ist blau hinterlegt, was dem Ganzen eine frostige Atmosphäre verpasst. Das V von Vollkommen sticht mit seiner roten Farbe deutlich heraus. Noch kann ich keinen Bezug vom Cover zum Klappentext herstellen. Vielleicht wird es mir am Ende des Buches klarer.


Der Schreibstil ist wie ein Sog: Man kann ihm und der Geschichte nicht entkommen. Sie zog mich unablässig zurück in ihren Bann: Während ich zur Uni ging, während ich alltägliche Dinge getan habe, kurz vorm Einschlafen und schon wieder beim Aufstehen. Ununterbrochen ratterten die Fragen und Gedanken in meinem Kopf und wollten mehr Informationen.


Teresa Evans, auch Tessa genannt, ist 17 Jahre alt. Sie hat langes rotes Haar und besitzt einen ausgeprägten Familiensinn: Sie würde einfach alles für ihre Familie tun. Deswegen trifft es sie besonders hart, dass sie nicht zur Spende zugelassen wird. So liegt der Druck komplett auf ihrer kleinen 14-jährigen Schwester Charlotte, denn wer nicht spendet der verdient auch nichts oder kaum etwas. Jedenfalls fast nicht genug zum Leben. Tessa fühlt sich deswegen „unbrauchbar“ und auch schuldig gegenüber ihrer Familie, der Gesellschaft und vor allem gegenüber Lukas. Doch vielleicht steckt in ihr viel mehr als sie zunächst ahnt. Sie muss stark sein, um mit dem umzugehen, was sie erfahren wird.

Lukas Callahan lebt mit seiner Familie am Rand. Er trifft auf Tessa, als er seine kleine Schwester zum eigentlich illegalen Unterricht von Teresa mitbringt. Die Randbewohner erhalten nämlich keine Schulbildung, da sie generell kaum Privilegien haben und unter anderem nicht zur Schule dürfen. Unerwarteter Weise wird Lukas zur Spende zugelassen und dadurch ändert sich alles. Er fühlt sich stark zu Teresa hingezogen und würde für sie so manches tun. Aber auch er kann nicht gegen alles kämpfen, ganz besonders nicht gegen seinen eigenen Körper und Medikamente.


Die Einführung finde ich sehr schön: Teressa und ihre Schwester Charlotte, sowie ihre Mutter und ihre heimliche Liebe Lukas, sie alle haben es in dieser Gesellschaft nicht leicht. Ein harter Überlebenskampf bestimmt ihr Leben, ihre Währung ist das Blut. Teresas Blut jedoch ist nicht wertvoll genug und somit gehört sie zu den Verlierern der Gesellschaft.

Die Gesellschaft ist jedenfalls in 2 Bereiche gegliedert: Die Mitte und der Rand. Während in der Mitte die Wohlhabenden Leute leben, deren Blut spendbar ist, so wohnen am Rand diejenigen, deren Blut als wertlos eingestuft wurde. Diese bekommen auch keine Schulbildung und werden somit komplett ausgegrenzt. Doch was macht das Blut mancher wertvoll und mancher nicht? Warum darf man nur bis 25 Jahre Blut spenden? Und worin besteht der eigentliche Grund der Blutspende? Wohin geht das Blut im "Drüben" und was ist das genau? Wozu benötigt man so einen hohen "Verschleiß" an Blut, dass eine ganze Gesellschaft danach angepasst ist möglichst viel zu geben? Und warum immer wieder diese Anspielungen ihrer Mutter, dass sie niemals mehr zum Labor gehen soll? Diese Fragen schwirrten mir zu Anfang des Buches im Kopf herum. Diese alle wurden im Laufe der Geschichte beantwortet, aber es kamen auch immer neue Fragen dazu, gerade wenn man dachte man würde nun alles wissen. Mit jeder neuen Wende kamen neue Fragen, die es zu beantworten galt. Das führt dazu, dass man sich ununterbrochen Gedanken über das Buch macht und man sozusagen nicht mehr aufhören kann zu lesen.


Die Beziehung zwischen Lukas und Tessa entwickelt sich schön langsam und überhaupt nicht überstürzt. Lukas, einer vom Rand und plötzlich spendeberechtigt und Teresa, eine aus der Mitte und deren Blut nicht zu gebrauchen ist. Am Anfang der Geschichte war meine einzige Sorge, ob ihre zarte Bindung diesen gesellschaftlichen Unterschied überwinden kann. Im weiteren Verlauf stellen sich der Beziehung aber so viele Hindernisse in den Weg, dass diese anfänglichen Sorgen fast nichtig erscheinen.

Neben dem Liebespaar gibt es noch andere wichtige Charaktere, deren Benennung aber hier den Rahmen sprengen würde. Besonders erwähnt werden muss aber noch Teresas Mutter, welche sich für ihre Tochter komplett aufopfert, Carter, welcher für Teresa auch in den schwersten Zeiten ein guter Freund ist und vielleicht sogar etwas mehr und schließlich Beatrice, welche nur ein Ziel zu verfolgen scheint und mir grundsätzlich nicht sympathisch war.

Die Geschichte entwickelt sich einfach extrem rasant. Nachdem Lukas mit Teresa bei der Spende war, steht plötzlich Teresas Leben von einem Moment auf den Nächsten komplett Kopf. Sie muss fliehen und bringt damit nicht nur sich sondern auch alle die sie liebt und selbst auch darüber hinaus die Menschen in Gefahr. Die Handlung spielt sich ca. innerhalb einer Woche ab, weswegen das Tempo recht hoch war, aber man konnte dennoch alles gut nachvollziehen. Besonders Teresa sticht bei alldem heraus. Egal was ihr zustößt und egal wer sich ihr in den Weg stellt, egal was sie durchleiden muss und egal wie sehr sie leidet: Sie ist einfach immer stark. Natürlich ist sie nah an der Verzweiflung, aber sie verliert nie die Hoffnung und steht immer zu ihrer Grundüberzeugung. Selbst als ihr mitgeteilt wird, warum sie so besonders ist, zerbricht sie nicht daran. Ich an ihrer Stelle hätte mich längst in eine Ecke gesetzt und resigniert. Aber sie kämpft auf ihre ganz eigene Art und Weise, nicht nur für sich, ganz besonders nicht für sich selbst.

Ich möchte gar nicht so viel zum weiteren Verlauf erzählen, da ich sonst zu stark Spoilern würde. Es sei nur so viel gesagt, dass mich das Buch mit all seinen Paletten an Gefühlen regelrecht begeistern konnte! Ich habe gelitten und geweint, habe gehofft und gebangt, habe gelacht und gejubelt, war extrem betrübt und sehr erleichtert, habe mich gefürchtet und bin verzweifelt, habe geschrien und getobt, habe… eigentlich war so ziemlich jedes Gefühl das man haben kann in diesem Roman vertreten. Es gab keine Szene die mich NICHT innerlich berührt hätte.

Was bietet uns das Buch? Sehr, sehr viel! Es gibt so viel Liebe, aber auch genauso viel Verrat. Überraschende Wendungen wechseln sich ab mit schon befürchteten Annahmen. Grausamkeiten, Manipulation und Angst an jeder Ecke. Entscheidungen, die vielleicht falsch erscheinen, aber nicht anders getroffen werden können. Eine Dreiecksbeziehung die an sich keine Dreiecksbeziehung ist, da immer 3 dazu gehören. Generell gibt es sehr komplexe Beziehungsgeflechte. Dazu noch ein System im System und eine skrupellose Ausnutzung menschlichen Lebens. Und immer wieder enttäuscht werden in der Hinsicht, dass Teresa nun endlich sicher sein könnte kombiniert mit der Frage: Wem kannst du trauen, wenn du niemandem mehr vertrauen kannst?

Die Lösung aller Rätsel liegt jedenfalls im Blut verborgen ;). Für mich ist sie jedenfalls auch so etwas ganz Besonderes und mehr menschlich, als so manch andere Person in dieser Geschichte.

Noch erwähnenswert finde ich die Vermischung aus Vergangenheit und Gegenwart mit Übertrag in die Zukunft. Dabei spielen geschichtliche und aktuelle Ereignisse, wie zur Nazi- und DDR-Zeit, sowie was in Korea und in den dritten Welt Ländern passiert, eine große Hintergrundrolle.
Im Endeffekt bleiben kaum Fragen offen, was bei dieser komplexen Handlung einem Wunder gleicht! Ich freue mich schon sehr auf Band 2, welchen ich schon sehnsüchtig erwarte, denn die Charaktere sind ausgezeichnet ausgearbeitet worden, genauso wie die Welt und eigentlich alles an diesem Buch. Der gewisse Hoffnungsschimmer am Ende lässt mich Gutes für Band zwei hoffen! Ich habe schon lange keine so gute Dystopie mehr gelesen! Ich vergebe die ganze Keksschachtel, 5 Cookies. Bitte lest es, denn wer es nicht liest… der hat selbst Pech, denn ihr verpasst was ;)!


Ich möchte mich ganz Herzlich bei Lovelybooks und dem Impress Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanken.


8 Kommentare:

  1. Klingt nach neuem Stoff für meine Wunschliste. ;)

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  2. Hallo Conny, :)
    das klingt wirklich sehr gut und landet direkt mal auf der Wunschliste. :D

    Liebe Grüße,
    Marina

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    1. Bald muss ich mich in WunschlistenwachstumsCookie umbenennen :D!!!

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  3. Liebe Conny,
    gerade erst habe ich die Google-Alerts für mich entdeckt und da bekomme ich gleich eine so schöne Benachrichtigung.
    Hab vielen Dank für deine Worte!
    Ich hoffe, dich auch mit weiteren Geschichten so begeistern zu können und wünsche dir noch viel Erfolg für deinen Blog!
    Ich bleibe mal gleich als Leserin da (^_^)

    Danke auch an Nina und Marina! Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

    Liebe Grüße
    Patricia

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    1. Hallo Patricia :),

      ich habe zwar keine Ahnung was das ist, aber ich freue mich, dadurch gefunden worden zu sein :D ♥.
      Gerngeschehen! Ich freue mich auch sehr auf weitere Geschichten, insbesondere auf eine (?) Fortsetzung :)?
      Danke, Danke, Danke :)

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  4. Ich habe das Buch heute angefangen...mal sehen, ob ich genauso begeistert sein werde wie du! LG

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