Sonntag, 23. April 2017

[Rez(ept)ension] "Water Love" von Marion Hübinger



Dies ist ein Einzelband, welcher am 27.02.2017 beim Drachenmond Verlag erschienen ist und von der Autorin Marion Hübinger geschrieben wurde. Das Buch ist als Softcover für 12,90€ und als E-Book für 3,99€ erschienen und umfasst 312 Seiten.


Der neunzehnjährige Bela erwartet nicht mehr viel vom Leben. Nicht, nachdem seine Eltern vor drei Jahren bei einem Flugzeugunglück umgekommen und sein Großvater Laszlo, ein berühmter Maler, aus Ungarn zu ihm gezogen war. Erst recht nicht in einer Zeit, in der jeder die drastischen Bedrohungen des Klimawandels nervös verfolgt und sich fragt, wie er überleben wird. Wer zu den Waters gehört, wird das Glück haben gerettet zu werden. Seit Bela zurückdenken kann, regieren die Waters das Land. Doch Bela ist ein Landers, einer, der dazu verdammt ist, an Land zu bleiben, sollte es zur Katastrophe kommen. Warum muss ausgerechnet er sich in eine Waters verlieben? Warum muss genau in dem Moment die Smogwelle über Kiel Alarmstufe ROT auslösen und ihn und Sintje viel zu schnell wieder trennen? Als Bela im Bunker festsitzt, fragt er sich jeden Tag, ob es eine Hoffnung für ihre Liebe geben wird …


„»Willst du dich umbringen, oder was?«“ (Position 50)

 

Von der Autorin habe ich noch kein Buch gelesen, aber ich habe bereits einige ihrer E-Books aus dem Impress Verlag auf meinem Kindle. Dies ist also mein erstes Buch der Autorin von daher habe ich noch keine hohen Erwartungen und lasse den Schreibstil usw. einfach auf mich zukommen. Natürlich habe ich aber ein paar Erwartungen an die Geschichte, denn diese klingt einfach viel zu genial und von daher hoffe ich, dass es der Autorin gelingt das ganze Potential voll auszuschöpfen. Wenn das Buch nur ansatzweise so schön ist, wie die Autorin nett ist, dann wird es genial!


Das Cover wird dominiert von dem Titel des Buches „Water Love“, welcher in schwarzen Großbuchstaben über dreiviertel des Covers geschrieben steht. Die Buchstaben wirken trotz der Schwärze leicht durchscheinend an einigen Stellen und das untere Wort „Love“ wird als Schatten auf den Strand geworfen, da die Sonne das Wort von hinten anleuchtet. Im Hintergrund ist eine Standszene zu sehen. Eine große, realitätsgetreue Sonne ist in der oberen Mitte von zwei schwarzen Klippen eingerahmt, welche nach unten hin immer näher zusammen stehen, sodass sie nur einen kleinen Durchgang zwischen dem Meer und der Bucht lassen. Der Strand ziert den unteren Teil des Covers, allerdings gibt es hier auch größere Gesteinsbrocken. Das Wasser wird umweht von Nebelschwaden und erst bei genauerem Hinsehen wird am äußeren linken Rand, mittig, ein Schiff erkennbar, welches wohl ein Watership darstellen soll. Generell sind die Farben des Covers sehr düster gewählt, auch wenn ein paar Sonnenstrahlen durchsickern. Das Cover passt schon mal zum Inhalt und lässt durch die düstere Grundstimmung auf eine nicht leicht zu lesende Geschichte schließen. Das Cover hebt sich von der Masse der Cover ab und ist gewagt anders!


Nachdem ich diese Rezension nun schon zum wiederholten Male angefangen und wieder verworfen habe, bin ich nun endlich mit dem Endergebnis einigermaßen zufrieden. Meine Worte können diesem Buch nicht gerecht werden, aber ich habe es dennoch versucht zu beschreiben was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Dabei gehe ich mehr auf das entworfene Zukunftsszenario ein, als auf die Handlung und die Charaktere, da mich an diesem Buch die erschaffene Welt mehr beschäftigt hat als die Liebesgeschichte.

Willkommen in einer Welt der Zweiklassengesellschaft, in einer gar nicht allzu weit entfernten Zukunft im Deutschland 2045. Die Bevölkerung ist aufgeteilt in Waters und Landers. Die Waters sind zwar von der Anzahl her wenige Menschen, doch sie sind diejenigen mit Macht und Geld, welche über das Land regieren. Die Landers sind die Verlierer des Systems, die Menschen die nicht reich genug sind sich ein Platz unter den Waters zu erkaufen und sich somit auch ein Platz auf einem der Waterships zu sichern, den U-Booten der Reichen. Der Klimawandel ist so weit voran geschritten, dass tödliche Smogwolken über große Teile der Welt ziehen und alles und jeden vergiften, der sich nicht schnell genug retten kann. Die Waters können sich auf die Waterships in die Meere zurückziehen, doch die Landers müssen mit dem Smog an Land in notdürftigen Bunker klar kommen. In Kiel, dem Handlungsort, ist dies jedoch noch nicht eingetreten und so ‚genießen‘ die Menschen dort noch ein halbwegs normales Leben. Die Feinstaubbedrohung ist jedoch jeden Tag unsichtbarer Begleiter und ohne Atemschutzmaske geht niemand vor die Tür. In dieser Welt gibt es überall technische Anzeigen, welche die Bewohner über die derzeitige Feinstaubbelastung informieren. Die Nachrichten berichten ebenfalls von der Belastung in der Luft und von unzähligen Katastrophen auf der ganzen Welt. Die Weltbevölkerung hat sich auf 3 Millionen Menschen reduziert! So viele Menschen leben derzeit allein in Berlin! Damit geht natürlich auch eine große Veränderung des Lebensstils einher. Der Stromverbrauch ist genauestens geregelt und öffentliche Verkehrsmittel übersteigen die Anzahl an Autos bei weitem. Eine ungreifbare Angst liegt jeden Tag in der Luft und die Menschen wissen nie, wann oder ob der Smog nun gänzlich zu ihnen zieht. Einen strahlend blauen Himmel hat in dieser Zukunft jedenfalls schon länger niemand mehr gesehen und das ist etwas, was mir Gänsehaut bereitet.

Unsere Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein. Bela, ein Landers, trifft auf die taffe Sintje, eine Waters, als er für seinen Abschluss in eine Einrichtung für beeinträchtigte Kinder kommt. Bela ist unser Erzähler, dessen Stimme uns durch die Geschichte begleitet. Wir sehen die Geschehnisse aus seiner Perspektive. Er ist ein Familienmensch, dem sein Großvater Laszlo und bester Freund Fabio sehr wichtig sind. Nachdem seine Eltern bei einem Flugzeugunglück verstarben, hat er praktisch nur noch diese Bezugspersonen. Er ist ein Künstlertyp, ein Freiheitskämpfer, der sich einer Sache aus vollem Herzen verschreibt. Demnach fiel es mir auch nicht schwer zu glauben, dass er sich Hals über Kopf, von den Zehen bis in die Haarspitzen, in Sintje verliebt hat. Natürlich könnte man nun argumentieren, dass diese Verliebtheit recht schnell geschah und er ihr nach wenigen Tagen bereits verfallen war, aber so habe ich seinen Charakter nun einmal empfunden: Mit absolute Hingabe für alle Personen, die ihm wichtig sind. Kein Wunder, dass seine Liebe genauso hingebungsvoll ist, wie seine Loyalität. Bela kämpft um Sintje, gegen alle Vernunft und gegen alle äußeren Widrigkeiten. Seine Liebe ist so groß und aufopferungsvoll, dabei verlangt er nie etwas zurück. Ich mochte Belas Wesen und sein Überlebenswille in der doch tristen und ausweglosen Welt, welche die Autorin für ihre Protagonisten geschaffen hatte. Ein wenig hat es mich aber gefuchst, dass er bereitwillig alles und jeden anderen für seine Liebe opfern würde. Ich weiß nicht, ob ich meine Liebe über meine Familie stellen würde, wenn ich nicht mal wüsste, ob meine Liebe noch lebt. Aber ich musste zum Glück noch nie in so einer Situation entscheiden. Sintje ist Belas große Liebe und eine kleine Rebellin unter den Waters. Sie sollte mit ihrem Freund Lukas eigentlich schon auf Watership 5 sein, doch die Liebe zu den beeinträchtigten Kindern in der Förderstätte und ihr Wunsch nach Freiheit ist größer als die Zwänge der Waters. Sintje hat demnach Temperament und lässt sich von nichts so leicht aus der Ruhe bringen- auch nicht von Bela. Ich mochte auch Sintje und vor allem ihr großes Opfer für die Kinder, dennoch verlor ihr anfangs starker Charakter im weiteren Geschehen an Stärke. Während Bela anfangs der passive Part war, wird er nun von Sintje abgelöst. Die Protagonisten knüpfen ganz langsam und auf sehr reelle Art und Weise ein zartes Band bis hin zur leichten Verliebtheit. Man kann hier noch nicht von Liebe sprechen, denn dafür haben die Charaktere einfach zu wenig Zeit alleine miteinander verbracht, um sich besser kennen zu lernen. Man ist gespannt darauf, wie sich ihre Liebe weiterentwickeln wird, doch kurz darauf kommt es zum Smogalarm, welches die Leben der beiden vollkommen und kolossal auseinander reißt. Während Bela im Bunker sitzt rettet Sintje den Kindern das Leben in einem Tausch gegen ihre Freiheit. Die Liebe füreinander lassen beide durchhalten in einer Welt ohne Hoffnung. Ich wäre an ihrer Stelle schon durchgedreht.

Der mittlere Teil der Geschichte ist düster, denn die Bunker sind anders als gedacht und die Menschlichkeit rückt mehr und mehr in den Hintergrund. Auch auf Watership5 herrschen strenge Regeln, denn hier stellt man schnell fest, dass die reichen und mächtigen Waters unterdrückt werden und wie in Diktatur leben. Bei Verstoße gegen eine Anzahl willkürlich wirkender Regeln, müssen sie an Land. Bela nutzt einen Landgang um für seine Liebe zu kämpfen. Doch die Welt ist eine ganz andere geworden und die düstere Stimmung ist deutlich greifbar. Bela gibt jedoch nicht auf und strahlt eine Hoffnung aus, die aus seinem Inneren direkt in mein Herz getroffen hat. Wie man kann trotz dieser Situation derart von Hoffnung erfüllt sein? Ich muss gestehen, dass mich die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten zwar interessiert hat, aber noch mehr habe ich mich für die erschaffene Welt und ihre grausamen Bedingungen, die Machtspielchen und die Lebensbedingungen interessiert. Der starke Kontrast zwischen dem Leben auf den Unterwasserboten im Luxus und dem nackten Überleben in den Bunkern und Straßen ohne richtige Nahrungsversorgung und mit Gewalt an jeder Straßenecke fallen stark ins Auge. Während draußen Plünderungen und Gewalt an der Tagesordnung stehen gibt es ‚drinne‘ im Unterwasserboot alles in Hülle und Fülle. Besonders ein Abschnitt im Buch beschreibt Bela, wie er sich seine Wasserration einteilt und sich saubere Luft wünscht, während Sintje zur gleichen Zeit sich wie selbstverständlich ein Glas Wasser aus dem Wasserhahn einschenkt und das kühle, reine Nass trinkt.

Das Beste und zugleich erschreckendste am ganzen Buch ist wohl das Ende. Es ist ein kleines Happy End, wird dieser Bezeichnung aber nicht wirklich gerecht. Das Buch endet demnach für Bela in einer Situation, die für ihn erträglich erscheint. An der Situation der gesamten Menschheit jedoch hat sich nicht viel geändert. Das Ende lässt den Leser im Unklaren wie es für die Protagonisten und ihre Freunde weiter geht, ob es weiter geht, wie die Situation im Bunker mit immer weniger Nahrung und dem weiterhin bestehenden Smog außerhalb des nicht so sicheren Bunkers wohl weiter geht. Ich wünschte mir so sehr eine Fortsetzung, aber die wird es wohl nicht geben. Das Ende ist mit Absicht so zermürbend gewählt und das erschüttert mich zutiefst. Natürlich ist es mehr als realistisch gezeichnet, aber als Leser möchte man doch auf eine positive Zukunft für die liebgewonnenen Charaktere hoffen. Hoffnung- die im Roman unterschwellig so oft von Bedeutung ist und mir das Ende dennoch nicht geben konnte. Nach dem Beenden des Buches blieb ich also als leere, starre Hülle zurück und fragte mich unweigerlich, ob es eine Fortsetzung geben würde. Würde es nicht. Ich fiel in ein Loch, recherchierte das halbe Internet und kam zum Schluss, dass das Szenario, welches die Autorin so erschreckend genau gezeichnet hatte, durchaus im Bereich des Möglichen war. Man musste ja nur einmal nach Peking schauen, um sich das Ausmaß vorzustellen. Ich weinte und das gebe ich auch offen zu, um mich dann aufzurappeln und eine Woche voller Faszination für mein normales Leben für mich hinlebte. Ich habe in dieser Woche selten wie nie die Natur mit anderen Augen gesehen und die Menschen beobachtet. Menschen, die auf erschreckend hohem Niveau jammern. Menschen, die doch eigentlich alles haben und dennoch todunglücklich sind. Natürlich jammere ich auch manchmal vor mich hin, aber im Grunde bin ich immer wieder dankbar über mein schönes Leben. Immerhin habe ich saubere Luft zum Atmen und Wasser zum Trinken, genug Essen, ein sicheres (und schönes) Dach über dem Kopf und zumindest die Möglichkeit alles aus meinem Leben zu machen, was ich denn wollte. Ich glaube, wir sollten alle dankbarer für das sein, was wir schon haben und weniger meckern. Dieses Buch hat mir die Augen geöffnet für die Undankbarkeit vieler Menschen und so habe ich im Kleinen begonnen meine Familie, Freunde und Bekannte ab und an mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, wenn sie sich in etwas reingesteigert haben. Die Reaktionen fielen wie erwartet so aus, dass die Personen tatsächlich peinlich berührt waren und mir Recht gaben. Ich habe mich nicht als Moralapostel aufgespielt, sondern den Personen lediglich vorgehalten, was sie doch schon alles haben. Das Buch sollte von so viel mehr Menschen gelesen werden, damit ihre Welt ebenso wie meine ein klein wenig erschüttert wird, damit sie dankbarer werden, damit sie die Natur wieder mehr schätzen und schlussendlich – und das ist am wichtigsten- damit sie die Zeit, die ihnen auf Erden gegönnt ist, mit Dingen füllen, die sie glücklich machen.

Abschließend möchte ich sagen, dass mich dieses Buch ganz schön poetisch gemacht hat. Dieses Buch hat mein Leben ein klein wenig verändert. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich mich mit einer Bibel bewaffnen und euch von meinem neuen Glauben überzeugen werde, nein, aber wenn ihr die Chance habt zu diesem Buch zu greifen und es zu lesen, dann denkt an mich und lest es. Vielleicht wird es auch eure Welt erschüttern, vielleicht aber gibt es euch auch nichts- ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich zumindest versuchen muss euch irgendwie mitzuteilen, dass dieses Buch es wert ist wie kein zweites gelesen zu werden!

Diese Geschichte regt definitiv zum Nachdenken an, mit seinem düsteren Zukunftsszenario um dem Smogalarm, der gar nicht so unrealistisch ist. Diese Welt, welche die Autorin geschaffen hat, ist einzigartig und dennoch so realistisch das ich die Gänsehaut am ganzen Körper gespürt habe. Wer eine packende, düstere, emotionale und gefühlsvolle Dystopie sucht, bei der man nicht aufhören kann zu lesen und man dennoch Pausen braucht, um alles sacken zu lassen, der ist hier genau richtig.Die Protagonisten kämpfen in einer sich verändernden Welt um ihre Liebe und Hoffnungen. Ich vergebe 5 Cookies, denn diese Zukunft hat mich tief getroffen und nachdenklich werden lassen über Menschen, die nichts zu schätzen wissen. Die Liebesgeschichte der Handlung steht dem Weltenbau etwas nach, aber das ist verzeihlich in Anbetracht der Tatsache, wie tief mir das Buch unter die Haut gegangen ist. Ein paar Fragen bleiben am Ende unbeantwortet und das Ende ist sehr offen gehalten. Schade, dass es ein Einzelband bleibt, aber so hat der Leser (erschreckend) viel Spielraum um sich die Zukunft für die Protagonisten in allen Farben auszumalen.


Ich möchte mich herzlich beim Drachenmond Verlag und Marion Hübinger für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanken.

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