Bei „It’s okay not tob e okay“ von Scarlett Curtis (Herausgeber) handelt es sich um einen Sammelband mit Beiträgen verschiedener Autor*innen, welcher am 29.07.2021 für 14,00€ im Carlsen Verlag erschienen ist. Das Buch hat insgesamt 320 Seiten.
Ein Mutmacher für alle, denen es gerade nicht gut geht.
Psychische
Gesundheit geht uns alle an. Trotzdem trauen sich die wenigsten, offen
darüber zu sprechen. Die britische Aktivistin Scarlett Curtis hat es
sich zu ihrer Mission gemacht, dieses gesellschaftliche Tabu zu brechen,
und gefragt: Was bedeutet psychische Gesundheit für dich? Mehr als 30
inspirierende Menschen teilen in dieser Anthologie ihre ganz persönliche
Geschichte. Die Texte sind aufrüttelnd, lustig, schonungslos, poetisch
und tröstend. Sie sind wie ein Zuruf, ein lautes Signal, das alle da
draußen wissen lässt: Du bist nicht allein! Egal, was du gerade
durchmachst – es ist okay.
Es ist okay, nicht okay zu sein.
Es ist okay, zu weinen.
Es ist okay, wütend zu sein.
Es ist okay, um Hilfe zu bitten.
Es ist okay, im Bett zu bleiben.
Es ist okay, wenn du nicht darüber reden willst.
Es ist okay, eine Therapie zu machen.
Es ist okay, Medikamente zu nehmen.
Es ist okay, menschlich zu sein.
Das
hier ist kein Lehrbuch. Es wurde nicht ausschließlich von
professionellen Psycholog*innen oder Psychiater*innen geschrieben. Es
ist persönlich. Aber im Teilen von persönlichen Geschichten liegt eine
gewaltige Kraft.
„Dieses Buch ist heftig.“ (Seite 9)
Das Cover besticht durch seine einfache Art. Der Hintergrund ist weiß und mittig befindet sich der Titel, welcher in sich abstufenden Blautönen gehalten ist. Die Blautönen werden am oberen Rand mit verschiedenen flachen Elementen wieder aufgegriffen und „verlaufen“ sich dann. Das weckt bei mir den Vergleich zu Wasser. Am unteren Rand befindet sich der Spruch „Inspirierende Persönlichkeiten sprechen über psychische Gesundheit“ und der Name der Herausgeberin Scarlett Curtis. Ich finde das Cover insgesamt sehr schlicht und dennoch ansprechend, da ich Blautöne unglaublich gerne mag. Auch finde ich, dass so ein wichtige Thema auch ein ansprechendes und dennoch schlichtes Cover benötigt, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken und dennoch respektvoll zu sein.
Das Buch beginnt mit einer Triggerwarnung, welch ich ziemlich wichtig finde. Meiner Meinung nach können Menschen, die keine Triggerwarnungen lesen wollen, diese ganz einfach überblättern. Das funktioniert einwandfrei. In diesem Buch wird eine Triggerwarnung für die Themen Depressionen, Suizidgedanken und Angststörungen ausgesprochen.
Dieses Buch ist eine Sammlung verschiedener Autor*innen mit Beiträgen von z.B.Emma Thompson, Emilia Clarke, Hannah Witton, James Blake, Lena Dunham, Matt Haig, Naomi Campbell und noch einigen mehr. Außerdem enthält die deutsche Ausgabe exklusiv Texte von z.B. Angelina Boerger, Coldmirror (Kathrin Fricke) und Pia Kabitzsch. Die Beiträge sind in verschiedene Kategorien gegliedert wie z.B. „Es ist okay zu Schreien“ oder „Es ist okay sich helfen zu lassen“. Manche Passagen sind in Großbuchstaben und größerer Schrift gedruckt. Zu guter Letzt gibt es von der Herausgeberin noch eine „Es ist okay“-Liste, Platz für solch eine eigene Liste und Hilfsangebote für Deutschland, Österreich und Schweiz, bei der sich Betroffene Hilfe holen können. Diese Gliederung empfand ich als sehr gut und besonders schön sind die Hilfsangebote. Wenn das Buch einen animiert sich Hilfe zu suchen, werden Personen direkt zur Hilfe geleitet, anstatt das diese wieder aktiv werden und sich diese Dinge selbst heraussuchen müssen. Eine wundervolle Lösung.
So viel zur Aufmachung. Ab jetzt wird es auch ganz schön persönlich. Puh, wo soll ich da nur anfangen? Ich habe das große Glück, dass ich psychisch relativ gesund bin. Es gab da mal eine Zeit in meinem Leben, da ging es mir gar nicht gut. Ich habe Verabredungen abgesagt, um mehr Zeit für die Schule zu haben. Ich habe überlegt, mich von meinem Freund zu trennen, um mehr Zeit für die Schule zu haben. Ich habe das ganze Wochenende kaum geschlafen, um alles aufzuholen, was unter der Woche für die Schule liegen geblieben ist. Ich war nicht depressiv – oder doch? Im Nachhinein schwer zu beurteilen, weil ich mich immer irgendwie doch aufgerafft habe etwas zu machen, aber ich würde mal behaupten dieses Verhalten war ganz und gar nicht gesund und ich vielleicht kurz davor mir einiges in mir kaputt zu machen. Zum Glück war mein Freund und meine Familie für mich da, sonst weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre. Und als ich dieses Buch gelesen habe, da habe ich mich tatsächlich ab und an in den Menschen wiedererkannt. Ich hatte quasi einige AHA-Momente.
Warum ich euch das erzähle? Weil viel zu viele Menschen eben nichts darüber erzählen. Alle tun so, als ginge es ihnen gut. Wenn man mich fragt, wie es mir geht, dann neige ich auch eher dazu zu sagen „Danke, alles okay.“ anstatt ihnen zu sagen, wie es mir wirklich geht. Bei den meisten Menschen kann ich aber so offen sein und dafür bin ich dankbar. Doch die wenigsten sind wirklich so ehrlich. Wie auch? In einer Welt, in der wir scheinbar nur perfekte Menschen um uns herum haben, wer will da schon zugeben, dass er eben nicht so perfekt ist? In den Medien sehe ich meist nur gut gebaute, perfekte, marklose Körper. Schöne, aufgeräumte, moderne, geputzte Wohnungen. Ordentliche, farblich und nach Größe sortierte Bücher in perfekten, abgestaubten Bücherregalen. Und dann schaue ich mich in meiner labbrige Jogginghose, in meiner unaufgeräumten Wohnung um und überlege, wie ich tetrismäßig noch das eine Buch ins Regal gequetscht bekomme. Dann frage ich mich, was mit mir nicht stimmt und warum ich mein Leben scheinbar nicht auf die Kette bekomme, so viele aber schon. Und dann muss ich mich bremsen, denn so ist es gar nicht. Mein Leben ist toll! Ich habe großes Glück gesund und fit zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, Wasser und Strom und genug Essen und ein warmes Bett und … noch so viel mehr. Warum bin ich so undankbar? Moment mal – diese Gedanken führen zu nichts. Merkt ihr das? Das ist ein Teufelskreislauf. Ich mache mich nur selbst immer weiter fertig und das muss aufhören. Das ist es, was mir das Buch zum größten Teil vermittelt hat: Es ist absolut okay so zu fühlen und es ist auch okay sich über sich aufzuregen. Was nicht okay ist, ist anderen ihre Gefühle absprechen zu wollen. Denn ihr wisst nicht, was sie wirklich fühlen. Vielleicht brauchen sie es mit ihrer labbrigen Jogginghose in der unaufgeräumten Wohnung zu sitzen, um ihren Akku aufzuladen. Oder eben auch nicht. Und das ist beides okay.
Meine Bitte an euch ist: Fragt Leute wie es ihnen geht – wie es ihnen wirklich geht. Helft Menschen, wenn ihr seht sie haben es schwer. Ein kleiner Stein kann weite Kreise ziehen. Schaut genau hin – hinter die Fassade. Seid offen zu anderen, damit ermutigt ihr sie auch über ihre Probleme zu sprechen. Versucht empathisch zu sein und nicht gleich zu verurteilen. Seid menschlich. Lest dieses Buch. Lasst es in euch arbeiten.
Einen Stern Abzug gibt es von mir, da nicht alle Texte der Originalausgabe auch ins Deutsche übersetzt wurden. Im Original „It’s NOT okay to Feel Blue [and other lies]“ sind über 70 Autor*innen mit ihren Texten veröffentlicht worden. In der deutschen Ausgabe sind es nur etwas mehr als die Hälfte. Es gibt zwar exklusiv deutsche Autor*innen, was ich sehr schön fand, aber die hätte es, meiner Meinung nach, zusätzlich geben sollen. So sind viele Original-Beiträge nicht im Buch enthalten und ich frage mich doch sehr, wer darüber entschieden hat welche Beiträge und vor allem von welchen Autor*innen, ins Buch kommen – und welche nicht. Ich vermisse einige Beiträge, die in der Originalausgabe von Lesern als hilfreich beworben wurden. Ich hätte sie auch sehr gerne gelesen. Muss ich dazu jetzt zum englischen Original greifen oder kommt vom Carlsen Verlag ein zweiter Band? Ich hoffe jetzt einfach Mal auf Letzteres, einfach weil der Verlag mit diesem Buch schon einen großen, wichtigen und wahrscheinlich auch wagemutigen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat.
Dieses Buch war keine einfache Kost und dennoch ist es ein wichtiges Buch über ein Thema, das heutzutage viel zu selten thematisiert wird. Viele der Texte haben eine starke Aussage. Sie arbeiten in einem. Ich habe mich sogar ab und an in dem einen oder anderen Text wiedergefunden. Die Aufmachung ist sehr gut und vor allem die Hilfsangebote am Ende des Buches finde ich gelungen. Leider haben es nicht alle Texte der Originalausgabe in die deutsche Übersetzung geschafft, zugleich es exklusive Texte deutscher Autor*innen im Buch gibt. Insgesamt gebe ich dem Buch 4 Cookies und hoffe sehr, dass der Verlag vielleicht noch einen zweiten Band mit den restlichen Texten herausbringt.
Ich möchte mich recht herzlich beim Carlsen Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanken.
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